Aktueller Monatsgruß

Karwoche 2025: Hören

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Liebe Freundinnen und liebe Freunde im Alsterbund,

„Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, ..., dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden.“ An Müden mangelt es nicht, denke ich bei diesem Gedanken des Propheten Jesaja. Auch nicht am vielen Reden. Zum Beispiel über die Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint, über eine unklare Zukunft und eine verklärte Vergangenheit. Das macht Angst und vor allem auch müde.

Demokratiemüdigkeit greift um sich und verhilft bestimmten Leuten zu ungeahnten Höhenflügen. Sie kommen und versprechen, dass radikal aufgeräumt werden müsse, damit es anders wird. Also wählen weltweit immer mehr Menschen, in Zukunft keine Wahl mehr zu haben. Sie fordern ein Recht darauf, dass Gesetze nicht mehr gelten sollen und wären erleichtert, wenn die Gewalten nicht mehr geteilt werden, sondern in einer mächtigen Hand vereint. Mit den Müden zur rechten Zeit reden: Das kann momentan niemand so gut und so erfolgreich wie Autokratinnen und Diktatoren.

Aber die Gedanken Jesajas gehen überraschend weiter: „Gott weckt mich alle morgen, er weckt mir das Ohr, er hat mir das Ohr geöffnet.“ Beim Erwachen des Tages ist also das Hören wichtig. Hören ist sicherlich keine Stärke der neuen Alleinherrschenden. Um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, umgeben sie sich mit Ja-Sager:innen. Und wenn ihnen doch mal jemand etwas anderes als „ja“ sagen möchte, stellen sie sich taub. Sie wissen, dass Hören gefährlich ist. Zuhören verändert mich, meine Einstellungen, meine Erkenntnisse, mein Innerstes. Hören, wirkliches Zuhören grenzte schon immer an ein Wunder.

In unserem Land gibt es keine Redeverbote, solange das Reden mit Recht und Gesetz konform ist. Wie steht es um Hörverbote? Höre x,y und z gar nicht erst zu! Die wollen etwas ganz anderes! Hör da nicht hin! Zu den Dingen, die Jesus das Leben kosteten, gehörte, dass er denen zuhörte, denen man nicht zuhören durfte. Ich nenne Beispiele: Der Samariterin am Brunnen, einer unerwünschten Ausländerin, dem Zöllner, einem Kollaborateur mit den Besatzern. Sie fanden bei Jesus ein offenes Ohr. Der blinde Bartimäus musste schreien, um Gehör zu finden. Auch ihm half Jesus. Hört Gott das Schreien? - In der Person von Jesus besonders deutlich. Mit den Müden zur rechten Zeit reden und ein aufgewecktes Ohr haben: Das ist der Anfang von etwas Neuem. Mir scheint eine der großen Besonderheiten Gottes, dem Geheimnis der Welt, zu sein: neue Anfänge setzen.

Das müssen nicht wir machen, das macht er selbst. In was auch immer wir uns hineinmanövriert haben, es gibt einen anderen Weg. In unseren Gottesdiensten, besonders am Karfreitag ist davon die Rede, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist. Es waren typisch menschliche Eigenschaften und Fehler, die Jesus das Leben kosteten: Eifersucht, Neid, Sorge um Machtverlust, Fanatismus – die Liste ist endlos. Es wäre für uns nur logisch, wenn Gott sich am Karfreitag endgültig von den Menschen abgewendet hätte – was hätten Menschen noch Schlimmeres tun können, als seinen Sohn zu kreuzigen?! Genau das hat er nicht getan.

Herzliche Grüße in der Karwoche!

Pastor Jens-Uwe Jürgensen

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